Heilpflanzen können deine Gesundheit auf vielfältige Weise unterstützen – vorausgesetzt, du setzt sie richtig ein. In diesem Leitfaden erfährst du, welche Pflanzenteile bestimmte Wirkstoffe enthalten, wie diese im Körper wirken und wie du sie optimal zubereitest und lagerst.
Pflanzenteile und ihre spezifischen Wirkstoffe
Getrocknete Arzneipflanzen werden auch als „Droge“ bezeichnet, was auf das niederländische „droog“ – deutsch „trocken“ zurückgeht. Für die wirksame Anwendung von Heilpflanzen ist es entscheidend zu wissen, dass Wirkstoffe nicht gleichmäßig in der gesamten Pflanze verteilt sind. Hier sind die verschiedenen Bestandteile mit jeweils einem Beispiel:
- Wurzeldroge: Baldrianwurzel
- Blattdroge: Salbeiblätter
- Blütendroge: Kamillenblüten
- Rindendroge: Eichenrinde
- Samen: Flohsamen
- Früchte: Fenchelfrüchte
- Schalen: Pomeranzenschalen
Wirkstoffgruppen und ihre Funktionen im Körper
Die Wirkung von Heilpflanzen basiert auf bestimmten Stoffgruppen mit spezifischen Eigenschaften:
- Bitterstoffe regen deinen Appetit an und unterstützen die Verdauung. Sie kommen in Pflanzen wie Enzian und Wermut vor und fördern die Magensaftproduktion – ein echter Helfer für deine Verdauung.
- Ätherische Öle sind flüchtige, pflanzliche Verbindungen, die intensiv duften und je nach Zusammensetzung unterschiedliche Eigenschaften haben können. Zu den bekanntesten Heilpflanzen mit ätherischen Ölen gehören Pfefferminze, Eukalyptus, Thymian und Lavendel.
- Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die antioxidative Eigenschaften besitzen und die Gesundheit von Blutgefäßen unterstützen und können positiv auf den Kreislauf wirken. Sie sind auch häufig für die gelbe Färbung vieler Pflanzen wie z.B. in der Ringelblume verantwortlich, woher auch ihren Namen haben, vom lateinischen „flavus“ = gelb.
- Fette Öle, wie sie in Leinsamen oder Rizinusöl vorkommen, sind reich an ungesättigten Fettsäuren und fördern die Verdauung. Sie können bei der Linderung von Magen-Darm-Beschwerden hilfreich sein und unterstützen das allgemeine Wohlbefinden.
- Gerbstoffe wirken adstringierend (zusammenziehend) und kommen beispielsweise in Eichenrinde vor. Sie helfen, wenn du unter Durchfall leidest oder bei der Behandlung von kleinen Wunden.
- Kieselsäure unterstützt deine Haut, Haare und Nägel. Sie ist in Schachtelhalm enthalten und kann helfen, dein Bindegewebe zu stärken.
- Saponine sind seifenähnlichen Verbindungen, die z.B. in Süßholz vorkommen, können die Oberflächenspannung von Schleim in den Atemwegen verringern. Dies kann den Abtransport von zähem Sekret erleichtern und expektorierend (auswurffördernd) wirken. Ihren Namen bekommen sie vom lateinischen „Sapo“, was Seife bedeutet.
- Schleimstoffe, wie sie in Eibischwurzel vorkommen, können einen mechanischen Schutzfilm auf gereizten Schleimhäuten bilden. Dadurch können sie bei Reizhusten oder auch Magen-Schleimhaut-Reizung lindernd wirken.
Extraktionsmethoden: Der Schlüssel zur optimalen Wirkstoffgewinnung
Je nach Pflanzenteil und Wirkstoff sind unterschiedliche Zubereitungen zur Extraktion der Wirkstoffe optimal. An dieser Stelle werden wir uns die Teezubereitungen (plantae ad ptisanam) anschauen, die unmittelbar vor dem Gebrauch hergestellt werden. Dabei werden eine oder mehrere Arzneidrogen in loser Form oder als Beutel verwendet. Umgangssprachlich werden all diese Methoden als Tee oder Kräutertee bezeichnet, manchmal wird auch Tisane verwendet, um es von der Teepflanze abzugrenzen. Dennoch müssen die Zubereitungen nicht ausschließlich zum Trinken bestimmt sein, sondern können auch zum Gurgeln oder zur äußeren Anwendung z.B. als getränkter Umschlag angewendet werden.
Aufguss (Infus)
Diese Methode ist die häufigste und bekannteste Anwendung. Sie eignet sich besonders für Blätter, Blüten und zarte Pflanzenteile. Man übergießt die ganzen oder zerkleinerten Pflanzenteile mit kochendem Wasser und lässt es dann für eine bestimmte Zeit ziehen, in der Regel 5 bis 15 Minuten, wenn nichts anderes angegeben wird. Oft wird auch empfohlen, den Aufguss während der Ziehzeit abzudecken. Die Verwendung von kochendem Wasser ist wichtig für die Verringerung der mikrobiellen Belastung der pflanzlichen Stoffe. Nach dem Ziehen können die Pflanzenteile durch Abseihen entfernt und der Aufguss meist warm angewendet werden.
Abkochung (Dekokt)
Eine Abkochung wird meist bei festeren Pflanzenteilen wie Wurzeln, Rhizome oder Rinden angewendet, die keine flüchtigen Wirkstoffe wie ätherische Öle haben. Man übergießt die Pflanzenteile in geeigneter Größe mit kaltem Wasser und bringt es dann für eine bestimmte Zeit zum Köcheln. In der Regel lässt man die Abkochung für 15 bis 30 Minuten köcheln, wenn nichts anderes angegeben wird. Achte darauf, dass ausreichend Wasser vorhanden ist, da sich durch das Sieden die Wassermenge verringern kann und Pflanzenteile anbrennen könnten. Nach dem Abseihen und etwas Abkühlen kann die Abkochung angewendet werden.
Kaltauszug (Mazerat)
Ein Kaltauszug wird meist bei schleimstoffhaltigen Wurzeln, Rhizomen und Rinden angewendet. Dabei werden die Pflanzenteile in geeigneter Größe für eine bestimmte Zeit, in der Regel 30 Minuten – wenn nicht anders angegeben, bei Raumtemperatur in Wasser eingeweicht und anschließend abseihen. Um die mikrobielle Belastung der pflanzlichen Stoffe zu verringern, sollte der Kaltauszug vor der Anwendung über 60°C erhitzt werden.
Wird die Extraktion des Kaltauszugs mit zusätzlichem sanftem Erhitzen bei einer Temperatur oberhalb der Raumtemperatur, aber nicht bis zum Sieden, durchgeführt, spricht man von einer Digestion. Dies kann die Extraktion beschleunigen und gleichzeitig die Keimbelastung reduzieren, ohne hitzeempfindliche Wirkstoffe zu zerstören.
Weitere Extraktionen
Weiterhin gibt es Mischformen wie etwa den Infus-Mazerat, bei dem nach einem Aufguss anschließend noch ein Kaltauszug durchgeführt wird, oder das Mazerationsdekokt, bei dem nach einem Kaltauszug eine Abkochung durchgeführt wird. Letzteres findet Anwendung bei kieselsäurehaltigen Heilpflanzen. Beide Verfahren sind in der Praxis jedoch selten.
Lagerung und Haltbarkeit: So bleiben die Wirkstoffe erhalten
Die Wirksamkeit deiner Heilpflanzen hängt entscheidend von der richtigen Lagerung ab:
Optimale Lagerbedingungen
- Lichtschutz: Besonders Blüten- und Blattdrogen enthalten lichtempfindliche Verbindungen, die durch UV-Strahlung abgebaut werden. Lichtundurchlässige Behälter aus dunklem Glas oder Keramik bieten optimalen Schutz.
- Feuchtigkeitsschutz: Feuchtigkeit fördert mikrobielles Wachstum und enzymatische Abbauprozesse. Lagere getrocknete Heilpflanzen an trockenen Orten und in luftdicht verschließbaren Behältern.
- Temperaturkonstanz: Starke Temperaturschwankungen können Kondensation verursachen und biochemische Abbauprozesse beschleunigen. Ein kühler Ort mit konstanter Temperatur verzögert den natürlichen Wirkstoffabbau.
- Zerkleinerungsgrad: Je feiner, desto schneller können Wirkstoffe verloren gehen. Aus diesem Grund bieten wir nur losen Arzneitetee und keine Teebeutel an, da die Pflanzenteile in Teebeuteln stärker verkleinert werden.
Haltbarkeit verschiedener Pflanzenteile
- Blüten und Blätter: etwa 1 Jahr
- Wurzeln und Rinden: etwa 2-3 Jahre
- Samen und Früchte: etwa 2 Jahre
Bei frisch zubereiteten Aufgüssen, Abkochungen und Kaltauszügen ist die Haltbarkeit begrenzt. Du solltest diese innerhalb von 24 Stunden verbrauchen und falls notwendig bis dahin im Kühlschrank aufbewahren, um mikrobielles Wachstum zu minimieren. Am besten aber sofort nach der Herstellung anwenden.
Sicherheitshinweise für die Anwendung
Auch natürliche Heilmittel erfordern einen verantwortungsvollen Umgang:
- Bewahre Arzneipflanzen und ihre Zubereitungen, wie alle anderen Arzneimittel stets außerhalb der Reichweite von Kindern auf.
- Bei Anwendung während der Schwangerschaft, bei Säuglingen oder Kleinkindern ist ärztlicher Rat einzuholen, da bestimmte Pflanzeninhaltsstoffe für diese Gruppen nicht anzuwenden oder nicht ausreichend auf Sicherheit getestet wurden.
- Bei bestehenden Erkrankungen oder Medikamenteneinnahme solltest du mögliche Wechselwirkungen mit einem Arzt oder Apotheker besprechen.
- Bei anhaltenden oder sich verschlechternden Symptomen ist medizinischer Rat einzuholen.
Heilpflanzen gezielt einsetzen: Zusammenfassung
Mit dem Wissen über die richtigen Pflanzenteile, Wirkstoffgruppen und Extraktionsmethoden kannst du Heilpflanzen gezielt und effektiv einsetzen. Arzneipflanzen verbinden traditionelles Erfahrungswissen mit pharmakologischer Forschung, um pflanzliche Wirkstoffe optimal zu nutzen. Durch die richtige Zubereitung und Lagerung stellst du sicher, dass die Wirkstoffe optimal zur Geltung kommen. Heilpflanzen bieten dir eine einfache und fundierte Möglichkeit, deine Gesundheit zu unterstützen – wenn du sie bewusst auswählst, richtig zubereitest und sicher anwendest.
Quellennachweis
Glossary on herbal teas, 15 Juli 2010, Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA/HMPC/5829/2010 Rev.1)